Thursday, February 9, 2012

Menschen und Launen

Es gibt viele Dinge in dieser Welt, die uns an einem glücklichen Zusammenleben hindern. Es gibt die ACTA und den Klimawandel. 
Es gibt Menschen, die Fleisch essen, und es gibt Menschen, die darauf verzichten.
Es gibt Meinungsunterschiede, die uns auf Palmen bringen. 
Und es gibt Launen.

Launen, die wir selbst mit und in uns tragen. Und Launen, die andere - also jeder andere außer uns selbst natürlich - mit sich herumtragen. 
Launen können das Leben leichter machen.
Und sie können es erschweren, können zu Lawinen werden, die uns unseren Tag aufs Gründlichste verderben, und unsere Mitmenschen auf eine harte Probe stellen.

Meist sind Launen nicht einfach da, - auch für sie gibt es Gründe, Ursachen, Erklärungen. 
Nur müssen wir damit rechnen, dass wir nicht jedem die Gründe unserer Laune erklären können oder wollen. Manchmal kennen wir sie noch gar nicht. 
So kann es geschehen, dass eine Laune fälschlicherweise für einen Charakter(-zug) gehalten werden kann. 
Das ist uns unangenehm, denn wir zeigen ungern unsere bestialische Seite.

Die Ursache einer Laune ist genau so vielseitig wie ihre Realisierung: Bus verpasst, schlechter Schlaf, kein Frühstück, frühes Aufstehen, kein Kaffee, ein langer Arbeitstag, die Erkenntnis, dass Marburg nicht am Meer liegt, schlechtes Wetter, Kopfschmerzen, lange Warteschlangen, keine Schokolade, es ist zu kalt, es ist zu warm, ...

Der Mensch stellt sich gerne an.
Alles kann zur Laune werden.

Soweit die Theorie.

Ein Ort, an dem die deutsche Laune immer wieder aufs Neue geprüft wird, ist die Post. 
Die Post mit ihren Warteschlangen und unterbesetzten Schaltern. 
Doch ich habe Glück an diesem Samstagmorgen: Nur eine Person steht vor mir, wartend, einen Brief in der Hand. Ich habe ein großes Paket unterm Arm und freue mich, dass ich keine 10 Minuten warten muss. Heute geht es schnell.
"Es ist ganz leicht", sage ich und stelle das Paket zwischen die Frau und mich, als ich endlich an der Reihe bin. Man beäugt mich misstrauisch.
"Das ändert nichts am Preis." Sie motzt, denn auch in ihrer Welt ist es Samstagmorgen, auch in ihrer Welt ist es kurz vor zehn Uhr, - und sie kann sich nicht darüber freuen, dass ich so schnell an der Reihe bin. Denn sie steht hier noch bis 14.00 Uhr.
Ich gucke verdutzt, denn mit so viel Unlust habe ich nicht gerechnet. 
"Ich wollte es ja auch nur einmal gesagt haben", nuschle ich in meinen Schal. Aber meine Erklärung wird als Protest, als Frotzelei, empfunden. 
"Ja, das bringt Ihnen aber nichts!" Sie hat nun ihre Stimme gehoben, als rede sie mit einem Kind, das einfach nicht verstehen will. 
Ich nicke. "Ja. Ich wollte es nur einmal gesagt haben." 
Sie sagt nichts, betrachtet das Paket, klebt etwas darauf und sagt: "6,90 Euro."
Das ist viel. Ich lege ihr in maximal unfreundlicher Geste 10 Euro auf den Schalter. 
Es ist Samstagmorgen und für Diplomatie ist es für uns beide noch zu früh. 
Doch die Dame ist ein sensibles Wesen.
Sie versteht paralinguistische Zeichen, kann sie lesen und mein Missmut ist ihr in diesem Moment bewusst geworden.

"Das geht heute noch raus", sagt sie etwas milder und hievt das Paket zu den anderen. 
Ich gehe. 

Wären wir beide nicht so miese launendeutsche Menschen an diesem Samstagvormittag gewesen, hätten wir mehr Spaß an menschlichen Begegnungen haben können.

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