Tuesday, January 31, 2012

In der Karibik ist es anders

Eine weitere Woche ist vorbei; noch eine weitere, - und das Wintersemester 2011 / 2012 ist vorbei. Zumindest beginnt dann die vorlesungsfreie Zeit, in der endlich all den verlorenen Wünschen nachgegangen werden kann, die man im Hörsaalgebäude, der Bib oder den Instituten vergebens äußerte. Wegfahren; Zeit vertrödeln; Kaffee trinken; Ausschlafen. 
Dass manche Tiere Winterschlaf halten, ist auf einmal gar nicht mehr so abwegig. 

noch ein bisschen weiter weg als sonst:
die Karibik
Es ist kalt geworden, und gerade sieht nichts danach aus, als würde irgendetwas aufhören.
Der Winter ist zurück- bzw. angekommen, als man gerade dachte, man sei in Sicherheit.
Aber man ist es nicht.
Auch die Prüfungen sind noch nicht vorbei. Sie kommen erst. Und durchschlafene Tage, weiße Sandstrände und wärmere Zeiten rücken in unerreichbare Ferne.

Mein Kopf ist voll.
Er ist gefüllt mit Feldforschungen, mit Ideen und Plänen für das Frühjahr und den Sommer; er ist gefüllt mit Fragen und Ratlosigkeit, mit Erlerntem und auch mit Vergessenem, - das zumindest noch seinen Platz beansprucht.
Alles, was in diesen Tagen zählt, sind Stellknorpel, stimmlose und stimmhafte Frikative, Resonanz und Redundanz. Ich wate durch ein Meer von Begriffen, und kann kaum einen einzigen von ihnen an Land ziehen. Sie treiben ganz genüsslich an mir vorbei. 
Kommst du heute nicht, dann kommst du morgen. 
Vielleicht. 
Mein Studium schreibt mir vor, was ich zu lernen habe; was ich wissen muss. Und bisher verstanden sich Interesse und zu erlernendes Wissen ganz gut. 
Nur in diesem Wintersemester wollen sie nichts voneinander wissen. Das Interesse badet genüsslich schon im Wasser, während das Wissen noch nicht einmal den Koffer packte. 

Es ist ungemütlich und denkt nicht an Urlaub.
Denn Schall und Bernoulli-Effekt wollen verstanden werden; zum ersten Mal seit der Oberstufe werde ich wieder mit Physik und Chemie konfrontiert. Und die damalige Vermutung bestätigt sich aufs Neue: die einzige Naturwissenschaft, zu der ich ansatzweise fähig bin, ist das Kochen. 
Aber seit diesem Wintersemester esse ich nur noch in der Mensa. 

Ich lerne sie auswendig, die Laute des Internationalen Phonetischen Alphabets (IPA), den anatomischen Aufbau des Kehlkopfes, suprasegmentelle Merkmale, - und auch den Bernoulli-Effekt. 
Aber alles, was ich mir merken kann, ist bloße Luft. 

Wednesday, January 25, 2012

Im Treibsand

Das Semester neigt sich dem Ende. Klausuren werden geschrieben, Hörsäle werden leerer, die Langeweile steigt und die Konzentration sinkt.
Man begreift, dass man mal wieder zu viel Zeit ungenutzt gelassen hat, die wie Sand durch die eigenen Finger rieselte, und so zum Treibsand wurde, in dem man nun selbst steckt. 
Denn am Ende des Semesters muss ein Leistungsnachweis erbracht werden; es reicht nicht mehr, nur einfach da gewesen zu sein. Man muss beweisen, den Lehrenden auf seiner Winterreise von Oktober bis Februar auch mental begleitet zu haben.
Und das wurmt und ärgert so manchen.

Zum Semesterende wird so mancher
Studierende schon einmal vom
Universitätstreibsand verschluckt. 
Dabei gab es genügend Möglichkeiten, sich frei zu strampeln und Zeit zu nutzen.
Es gab die Zeit nach Weihnachten. 
Es gab eine großzügige Ferienwoche nach Silvester, als man an Berliner Universitäten schon wieder die Nase in die Bücher steckte.
Der Fachbereich 09 der Philipps-Universität führte sogar - zum ersten Mal - eine Reading Week ein und sorgte damit bei allen Beteiligten für große Verwirrung. Denn eigentlich sollte man ja lesen, in so einer Reading Week.
Es gab auch ein begleitendes Programm, von dem die wenigsten wussten; einige (Dozenten) weigerten sich, ihren Lehrplan zu unterbrechen und andere (Studenten) wiederum taten gar nichts in dieser Reading Week, in der alle Veranstaltungen ausfallen und leerer Zeit weichen. Es war ein bisschen wie Karneval: es geschah, und keiner wusste warum.
Und genau so schnell ging die Reading Week auch vorüber.
Der Aschermittwoch kam und mit ihm die Fastenzeit.

Die Zeit – nämlich jetzt -, in der man merkt, dass alle Freuden noch so schön sein mögen, vergangen nützen sie keinem. Und so beißt man sich ins eigene Fleisch; denn klüger ist man nicht geworden auf dieser zeitlich begrenzten Reise zur Insel der Glückseligen.
Das Timing stimmt mal wieder so gar nicht; und der Mensch ahnt mal wieder, was er sowieso schon wusste: dass die Stimme der Vernunft – so leise sie auch sprechen mag bzw. so laut sie übertönt wird – am Ende doch noch spricht. Dass man ihr Recht geben wird und die eigene Faulheit verflucht.
Und dass man auch beim nächsten Mal alles genau so machen wird wie zuvor. 
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Bidlquelle: www.wikipedia.org
Die Bloggerin distanziert sich von jeglichem Inhalt dieser Seiten. 

Thursday, January 19, 2012

Die Freiheit, die wir hatten

Der Mensch guckt gern nach vorne. 
Und er guckt auch gern nach hinten. 
Überlegt, was vergangen ist und welche Veränderungen kommen werden. 
Er plant und vergisst. 
Nur was geschieht, verfolgt er oft mit schwindendem Interesse. 
So kommt es, dass Geschichtliches passiert, ohne dass wir es wahrnehmen. 
Und rückblickend gerät das damals nicht Bemerkte im bunten Kaleidoskop der Geschichte zu einer Erinnerung, deren nostalgisches Begleitgefühl so hochromantisch ist, dass wir uns kaum sicher sind, ob es wirklich geschah. 

Die Vergangenheit wird besser, je weiter sie entfernt liegt. 
Und was im Augenblick des Moments geschieht, ist lästig. 

Das mag schwarzmalerisch daher kommen. 
Und es mag auch nicht immer stimmen. 
Und doch geschehen in diesen Tagen Dinge, deren tatsächliches Geschehen uns und unsere Zukunft maßgeblich beeinflussen können und werden. 
Der Weltuntergang ist eine stellare Frage.
Der Untergang des Internet eine rechtliche. 

Das Internet ist in Gefahr. 
Ja, das Internet. 
Früher war es hier gefährlich, ein zwielichtiger Ort des allmöglichen Grauens.
Heute, jetzt, und morgen ist das Internet gefährdet. 

Und vielleicht ist die maximal greifbare Verwirklichung der Idee "Globalisierung", die das Netzwerk Internet zweifelsohne darstellt, schon bald nicht mehr. 
Denn immer mehr Seiten werden gesperrt, Zugriffe werden verweigert, Songs und Videos können nicht mehr abgespielt werden; und unsere Freiheit schwindet. 

Diese Freiheit, mag die GEMA argumentieren, die unzählige Videos auf youtube.com bereits sperrte, ist der Raub geistigen Eigentums bzw. intellektuellen Besitzes eines Dritten. 
Und es tun ihr viele ähnlich. 
Denn das Internet ist rechtliches Brachland. 
Ein Ort, der beinahe unbegrenzten Möglichkeiten. 
Sicherlich gefährlich, sicherlich mit versteckten Tücken. 
Und doch ein Ort unglaublicher Freiheit. 

Dass Wissen kenntlich gemacht wissen muss, wissen wir seit Karl-Theodor zu Gutenberg es vergaß. 
Dass Wissen nun auch gesichert und beschützt werden muss, werden wir vielleicht schon bald wissen; Internet-Lexika wie wikipedia.org werden durch Gesetze des US-Amerikanischen Senats in ihrem Bestehen bedroht. 
Und was unseren Alltag einfacher machte und auch etwas mit der Idee des globalen Miteinander zu tun hat, ist vielleicht bald Geschichte. Unser Leben wird an Qualität verlieren, denn das (freie) Internet ist Teil davon. 

Es wird begrenzt, Bereiche werden abgesteckt werden; und es wird wieder mehr kosten.  
Wissen wird noch mehr eine Frage des Geldes sein. 
Und irgendwann, - vielleicht in zwei, vielleicht in fünf, vielleicht in zehn Jahren - werden wir uns in tragischer Nostalgie daran erinnern, wie frei wir waren. 
2012, als das Internet uns noch verband und nicht voneinander trennte.
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Bildquellen: www.gutefrage.ne
Die Bloggerin entfernt sich vom Inhalt dieser Seiten. 

Wednesday, January 11, 2012

2012 - Aussichten, Absichten und Einsichten

Die deutsche Kultur ist eine Zukunftskultur.
Oder viel mehr eine Kultur, deren Hauptaugenmerk auf der Zukunft liegt. 
Denn obwohl wir uns gern in nostalgischen Träumen verlieren und bekunden, dass damals alles besser war, zählen wir doch zu denen, die ihre gegenwärtige Zeit gern mit Zukünftigem verbringen. 
Wir planen gerne, halten Ausschau, wagen einen Ausblick; überlegen, vermuten, organisieren, verwerfen, - und werden überrascht. 

Denn auch wenn wir große Planer sind, letztlich kommt doch alles anders als wir es uns ausmalten. Das haben wir im letzten Jahr bemerkt.
Was gilt also für 2012?
Das neue Jahr hat schon längst begonnen, doch noch immer liegt ein großer Rest vor uns. 
Es ist das Jahr für "aktives Altern und Solidarität zwischen den Generationen", das Jahr der "internationalen Genossenschaften" und das internationale Jahr "der nachhaltigen Energie für alle".
Dafür brauchen wir jetzt schon Initiativen.
Die Dohle ist der Vogel des Jahres:
Das überrascht sie selbst. 
So gut für jeden Einzelnen der Start in dieses Jahr 2012 gewesen sein mag, für Einen bedeutet es schon jetzt ein recht miserables Dasein: unserem Bundespräsidenten, dem mächtigsten Mann in diesem Land, ist es seit geraumer Zeit ein wenig eng um den Hals. 
Wie eng es noch werden wird, wissen wir nicht genau. 
Wie eng es allerdings nur kurzzeitig sein kann, wenn Moral und gute Manieren eines Politikers unter die Lupe genommen und wieder vergessen werden, kann Karl Theodor zu Guttenberg erklären, der im letzten Jahr davon getrieben wurde, - und jetzt in der EU herumturnt. 
Der Mensch ist ein Komiker und kann sich nichts merken.

Wir fragen uns, welche Macht die Medien haben sollen, haben können, - haben dürfen. Und wer eigentlich unser kollektives Gedächtnis macht.
Um Macht ging es im letzten Jahr und um Macht wird es auch 2012 gehen; es wird um die Macht der Banken gehen, um die Macht des Euros, um US-Wahlen und um Weltuntergangstheorien.
Und um die Idee Europa


226 Jahre nach seinem Tod feiert
Friedrich der Große 

seinen 300. Geburtstag
Tote Menschen werden 2012 ihren 300. Geburtstag feiern, - darunter Friedrich der Große und Jean-Jacques Rousseau. 
Die Tagesschau wird 60 Jahre alt, und Caligula topt sie alle mit seinem 2000. Geburtstag. 
Der Mensch befindet sich schon sehr lange auf der Erde.

Die NASA plant eine Marslandung. 
Die slowenische Stadt Maribor ist Kulturhauptstadt 2012, gemeinsam mit Guimaraes in Portugal.
Die Dohle ist der Vogel des Jahres und sieht nicht danach aus.

Im Unklaren ist noch, ob es das letzte Jahr sein wird, das dieser Planet und die ihn besiedelnde Menschheit zu sehen bekommt. Gerüchte halten sich hartnäckig, genau so wie die Angst vor einem unvorhersehbaren Ende, das eine Hochkultur prophezeite, die seit Jahrhunderten nicht mehr existiert. Auch die Vergangenheit übt Macht über uns aus. 

Doch statt uns zu plagen mit der Frage, ob am 22. Dezember diesen Jahres tatsächlich die Welt untergehen wird, sollten wir uns viel eher von unseren Zwangsneurosen befreien. Weniger Zeit in der Vergangenheit und in der Zukunft verbringen, und der Gegenwart ein bisschen mehr Platz einräumen.
Auch für den Fall, dass 2012 die Welt untergehen sollte.

Monday, January 2, 2012

Der ewige Vorsatz mit dem Vorsatz. oder: Startenergie nutzen

Der Mensch mag Zeichen.
Er setzt sehr viel in Zeichen, hält sehr viel von Zeichen; von Flaggen und Hymnen, von Speisen und Worten, von Orten und, ja, von Daten ganz besonders.
Daten wie etwa dem magischen endjahreszeitlichen Datum des 31.12.

Etwas geht zu Ende.
Und zwar nicht irgendetwas, sondern ein ganzes Jahr. 
365 Tage, die wir mit Zeit gefüllt haben. 
Zeit, die wir sinnvoll oder auch sinnlos verbracht haben, die wir zu nutzen verstanden oder die wir wie Sand durch unsere Hände laufen ließen.
Und gerade dieser Stundensand, den wir nicht nutzen konnten, den wir nicht zu nutzen vermochten, ist es, der uns dabei viel eher im Gedächtnis haften bleibt, wenn wir das Jahr Revue passieren lassen. 

Wir erinnern uns an das, was uns nicht gelang. 
Was uns immer noch quält. 
Was uns an uns selbst stört. 

Weil wir diejenigen sind, die uns selbst am besten kennen, und weil wir die einzigen sind, die uns selbst verändern können, taucht Jahr für Jahr zum Ende der vergangenen 365 Tage ein Phänomen auf, das uns alle beschäftigt, - selbst wenn wir uns damit nicht beschäftigen: Der Vorsatz. 
Dabei müsste man viel eher von einem Vorsatz des Vorsatzes sprechen; denn wie eine gutmütige Großmutter setzen wir uns selbst Ideen in den Kopf eines Kindes, das hoch und heilig verspricht, ein ganzes Jahr auf Süßigkeiten zu verzichten. 
Die Süßigkeit, - das mag für jeden sein, was auch immer es ist.  
Aber was auch immer es ist, - wir gestehen nicht gerne, dass es uns schwach macht. 
Dass wir schwach werden, wenn es um die Wurst geht, wenn es um diese eine Süßigkeit geht. 

Und wir sind dem ganzen so sehr verfallen, dass wir es das ganze Jahr hindurch nicht schaffen, uns zusammenzureißen, uns zu disziplinieren und Körper und Geist zu trennen. 
Mehr noch: wir brauchen nicht nur eine Datumsgrenze, um dem Allem abzuschwören; nein. 
Wir brauchen eine Jahresgrenze. 
Und eben diese Jahresgrenze, diese scheinbare Distanz von vierundzwanzig lächerlichen Stunden bewirkt etwas in uns, eine Startenergie nämlich, die uns einen Auftrieb verschafft, die uns schnell und stark werden lässt, wo wir einmal schwach waren. 
Zumindest gedanklich. 
Zumindest vor Jahresende bzw. -beginn. 

Denn während der 31. 12. Thema ist, wird der 01.01. auffällig gemieden. 
Vielleicht, weil alle schon wissen, dass es dann mit den Vorsätzen dahin ist, dass man wieder schwach wird und auf eine andere gesellschaftlich zelebrierte Wesensveränderung wartet. 
Oder einfach nur auf einen Anlass. 
Vielleicht, weil wir irgendwie wissen, dass man keine Energie benötigt, um mit etwas aufzuhören; viel eher sollten wir die zuvor anders verbrauchte Energie nun übrig haben. 
Und nutzen können. 

Denn Vorsätze bringen uns einzig vom 31. Dezember in den 01. Januar. 
Selten jedoch weiter. 
Vorsätze sind begrenzt. Beinahe zeitlich begrenzt. 
Dabei gibt es etwas ähnliches, etwas, das uns bekannt vorkommt, einem Vorsatz gleicht, jedoch inmitten des Jahres geschieht. Und wir nennen es Idee oder Plan. 
Ideen und Plänen ist ein weitaus längeres Dasein beschert als den ewig lästigen Vorsätzen, die doch viel eher Produkt eines schlechten Gewissens sind. 
Ein Gewissen, das, gespeist von Weihnachtsenten oder Plätzchen, fremde und unangenehme Formen annimmt; und im Vorsatz endet.  

Einen Vorsatz erkennt man an seinem endjahreszeitlichen Auftritt.
Eine Idee an der Wurzel ihrer Überzeugung, - und ihrer unvorhersehbaren Erscheinung. 

Mag man meinen. 
Muss man nicht. 
Das Entscheidende ist viel eher, was man daraus macht. 

Und wenn wir nun erkennen, dass der erschreckend gleiche Vorsatz aus den Jahren 2008, 2009 und 2010 2011 erneut erschien, dann müssen wir uns vielleicht ernsthaft mit dem Gedanken beschäftigen, dass diese kleine Süßigkeit nun einmal unverzichtbar für uns ist. 
Ob sie nun gesund ist oder nicht. 
Dann müssen wir uns vielleicht tatsächlich darin üben, Schwäche in Stärke umzuwandeln. 
Oder tatsächlich das zu ändern, was wir ändern wollen.