Sunday, November 20, 2011

Leben und leben lassen

Der Beruf des Kellners ist schwierig. 
Schwieriger, als man es sich vorstellen mag. 
Denn ein Kellner hat auch nur zwei Hände, braucht aber in der Regel drei Zusätzliche. Wie viele andere Erdenbürger hat er einen Gleichgewichtssinn, der auch bei ihm im Ohr sitzt, und doch braucht der Kellner - gerade wenn es darum geht, ein gut gefülltes Tablett mit Heißgetränken auszubalancieren -, ein bisschen mehr Gleichgewicht. Schon allein diese Disziplin schließt es aus, dass ich jemals als Kellner mein Geld verdienen werde. 
Mein Studiengang schließt es nicht aus.

Einem guten Kellner sieht man nicht an, dass er gerade arbeitet. Das gilt ebenso für jeden anderweitig Bediensteten im öffentlichen Service. Und man kann sich vorstellen, wie schwer es ist, acht, neun oder zehn Stunden am Tag Wildfremden gegenüber freundlich, hilfsbereit und untertänig zugleich zu sein. 

Der Kunde ist König, das weiß man, seitdem bzw. wenn man das Sams gelesen hat. Aber wie unangenehm es sein kann, König zu sein, stand dort nicht; in einer Marburger Kneipe kann man es jedoch erleben.
Das alles liegt an einer einzelnen Person; - und so viel Verständnis wir aufbringen, als wir sie zum ersten Mal erfahren, so viel Unmut ergreift uns doch, denn es gelingt ihr, jede Bitte nach einer Serviette, einem weiteren Kaffee oder dem Salzstreuer nach einer groben Unhöflichkeit aussehen zu lassen. Und tatsächlich traut man sich kaum noch, etwas zu bestellen.

Da Wahrnehmung etwas sehr subjektives ist und Stutenbissigkeit auch zwischen zwei sich vollkommen fremden Frauen geschehen kann, geben wir ihr Zeit.
Zeit für Entwicklung.
Wir üben uns in Verständnis, in Geduld.
Und kommen zwei Wochen später wieder, nicht weil wir die Nase etwa so entsetzlich hoch in der Luft tragen und uns anmaßen, sie zu beurteilen, - nein, wir haben Hunger.
Und Pech.
Denn wir warten satte 50 Minuten auf unser Essen, unser georderter Kaffee wird vergessen, wir sitzen und warten. Am Nebentisch folgt die Vorspeise dem Hauptgericht und die Verdauung unserer Nachbarn wird auf eine harte Probe gestellt. Ein anderer Tisch voller Studenten erhebt sich schließlich und geht. Sie haben beinahe zwei Stunden auf ihr Essen gewartet, - aber nichts gegessen. 
Was ist da los. Hier sah es einmal anders aus.

Nachdem wir bezahlt haben, beschließen wir, hier nie wieder hinzugehen; wir beschließen es mit der gleichen Ernsthaftigkeit, mit der man zu Silvester beschließt, nie wieder zu rauchen, oder weniger Süßigkeiten zu essen. Wir versuchen, das Positive in dieser Enttäuschung zu erkennen, und trösten uns mit dem Gedanken an ein dickes Portemonnaie aufgrund kulinarischer Enthaltsamkeit.
Aber wir ärgern uns.
Das Frühstück, das eigentlich einen ganz entspannten Sonntag einleiten sollte, hat uns schon um 12.23 Uhr zu einem emotional überforderten Wrack gemacht.  

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