Friday, March 16, 2012

Bleibt alles anders

Wenn man die meiste Zeit des Jahres an einem Ort verbringt, kann es passieren, dass die Reise an andere Orte befremdlich scheint.
Befremdlich, denn eher unbewusst hat sich eine kleine Stadt im Herzen Hessens in den Vordergrund meines Daseins gerückt, - und unbewusst oder bewusst ist jede andere Stadt dem direkten Vergleich mit Marburg ausgesetzt.
Seit eineinhalb Jahren wohne ich in Marburg, in einer Universitätsstadt.
Und weil eben das der Fall ist, muss selbst Bochum, eine andere Universitätsstadt, muss Bochum, diese Stadt, aus der ich komme, den direkten Vergleich mit einer sehr viel kleineren Stadt antreten, - und die Tatsache hinnehmen, dass selbst sie, die Heimat, zu einem Stadtstatisten auf meiner Deutschlandkarte geworden ist.

Bochum: Beton, Tauben und Herbert-Knebel-Doppelgänger
Ich komme an einem grauen Sonntag hier an, und die Farbe des Himmels passt wohl zu dem Bild, das die meisten Menschen von einer Stadt im Ruhrgebiet haben.
Im Ruhrgebiet, dem größten urbanen Ballungsraum Europas, sieht alles immer ein bisschen improvisiert, hingekleckst und vergessen aus. Hier wird die Wäsche schwarz anstatt zu trocknen. Hier sehen acht von zehn Menschen wie Herbert Knebel aus.

Dabei ist es hier gar nicht so wie alle denken.
Es ist anders; auch für mich.

In den kommenden Tagen ertappe ich mich selbst dabei, wie ich Entdeckungen mache, mit denen ich nicht gerechnet habe. Das Gefühl stimmt noch immer; doch das Auge sieht etwas anderes.
Nach neunzehn Jahren, die man in ein und derselben Stadt verbracht hat, ist es ein leicht gedachter Gedanke, alles bereits zu kennen. 
Die Stadt aber – und gerade das Ruhrgebiet – ist ständiger Veränderung ausgesetzt.

Einen kleinen Kulturschock habe ich, hier in Bochum, während ich mir bekannten Wegen und Straßen folge, mir bekannte Gesichter treffe und beinahe automatisch einen vergessenen Trott übernehme, der mich in meine Schulzeit zurück versetzt.
Ein Kulturschock, denn alles hier ist größer; alles hier ist flach, ist Beton und Stahl und weiter Himmel und doch grüner als die Erinnerung es erinnerte - und doch anders. 

Das Hessen gewohnte Auge staunt.
Ich hatte nicht erwartet, dass auch hier die Welt sich weiterdreht, dass auch hier die Dinge sich ändern, dass ich mich verändere, - so dass einstige Selbstverständlichkeiten mit einem Male fremd sind.
Und ich wundere mich.
Über die Gegend, aus der ich komme.
Über die Gegend, in der ich nun wohne. 
Über Gewohnheiten und übers Vergessen. 

Und vermutlich ist es nur der Lauf der Zeit, vermutlich ist es ganz normal, sich zu entfernen und zurückzukehren; und doch wird es langsam nicht mehr ganz so einfach, nach Hause zu kommen. 

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