Thursday, April 19, 2012

Die deutsche Art zu tanzen

Wir erreichen Nyirbator, unser ungarisches Feld, am frühen Abend. Wenn wir es nicht besser wüssten, könnten wir diese Stadt an der unagrisch-rumänischen Grenze für ein französiches Dorf halten. Marika, unsere Kontaktperson, holt uns vom Bahnhof ab. Sie spricht Französisch, - ungeachtet der Tatsache, dass wir kaum im Stande sind, ihr zu antworten oder sie gar zu verstehen. 
Im alten Kloster Nyirbators kommen wir unter. Wurstbrote wurden geschmiert und aufs Neue hören wir die sagenhafte Geschichte vom erlegten Drachen. 

Nyirbator: Ein bisschen Frankreich in Ungarn
Bereits am nächsten Morgen stehen wir um sechs Uhr frierend im Kreuzgang.
Denn es ist Ostern und die gläubigen Ungarn bringen ihre Osterkörbe, um die Brote, das Fleisch und den Käse segnen zu lassen.
Doch es ist nicht nur Ostern, es ist auch der Internationale Tag der Roma. Und aus diesem Grund findet am späten Vormittag ein Begrüßungskonzert der Gipsies für uns statt. 

Wir sind nervös, als wir durch Nyirbator fahren und schließlich vor dem Kulturzentrum der Roma Halt machen; hier, und jetzt, beginnt das Feld.
Noch immer können wir keine der Sprachen sprechen, die sie sprechen. Wir müssen uns in unserer Verständigung ganz auf unsere Hände, auf unser Lächeln und unsere Augen verlassen; schüchtern und ein bisschen ungelenk sitzen wir da, im Kulturzentrum, schütteln Hände, lächeln verlegen, uns gegenüber sitzen die jugendlichen Roma und wieder wissen wir nicht genau, wo wir beginnen sollen. 

Die Roma wissen es. 
Ein Vater und seine Tochter stehen auf der Bühne; sie singen die Hymne der Roma, heute am Internationalen Tag der Roma. 
Und man kann von Hymnen denken und halten, was man will, doch es ist wohl dieser Moment, es sind wohl diese zwei Minuten, die die Starre von uns lösen, die Gänsehaut entstehen lassen und Schüchternheit vergessen machen, denn selten haben wir ein so stolzes, so schönes und so trauriges Lied gehört.
Beinahe hatten wir vor lauter Theorie die Menschen vergessen, wegen denen wir hier sind.

Schnell spielt eine Band nach der anderen, die Jugendlichen tanzen in ihren traditionellen Kleidern, wir staunen, machen Videos, bekommen erneut Gänsehaut, vergessen die Theorie  und beginnen, mit ihnen zu tanzen. 
Zunächst langsam und ein bisschen unrhythmisch, aber nicht weniger unterhaltsam, denn sie lachen über uns. 
Über uns, die komischen Deutschen, die ihre Füße nicht zu bewegen wissen wie sie, die komischen Deutschen, die noch eben wie die Hühner auf der Stange saßen und nun in merkwürdiger Haltung und mit fremden Bewegungen tanzen. 
Und doch halten wir uns an den Händen, einige der Mädchen kichern, sie sehen nicht älter aus als 14, ihre Körper bewegen sich im Takt und wir kommen uns noch staksiger vor, doch wir tanzen.  

Als Marika uns erklärt, wir müssten nun gehen, sind wir aus der Puste und verstehen nicht genau, wohin wir fahren. 
Wir wollen weiter tanzen, denn deshalb sind wir schließlich hier.  
Mittlerweile lacht man nämlich auch nicht mehr so sehr über unsere Art zu tanzen, sondern lächelt uns zu. 

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